Meine Geschichte beginnt an einem Ort, der gleichzeitig Millionenmetropole, internationales Konferenzzentrum und wahrscheinlich eine der schönsten Städte Europas ist: Wien. Wien war immer schon meine Stadt. Aber weniger das imperiale Wien mit Hofburg und Stephansdom oder das moderne Wien von Otto Wagner und Friedensreich Hundertwasser. Mein Wien war immer ein Ort der Begegnung, ein Ort, an dem verschiedene Menschen und unterschiedliche Kulturen zusammenkommen. Es war immer schon das Wien der internationalen Konferenzen und Organisationen, der Außenpolitik, der Vereinten Nationen. An diesem Ort aufzuwachsen, an dem die Welt so nahe zu sein schien, hat mich stark geprägt. Es hat in mir den Wunsch geweckt, diese Welt zu sehen.
Seit damals frage ich mich, was in der Welt vorgeht, wie die Dinge zusammenhängen und wie wir die Welt verbessern können. Mein Elternhaus hat sicher dazu beigetragen, diese Neugierde und diesen Wunsch, die Welt zu verstehen, zu befördern. Politik und insbesondere internationale Politik war immer schon ein wichtiges Thema. Das mag auch daran gelegen haben, dass ich während einer Zeit der Umbrüche geboren wurde, im August 1992. Auch, wenn meine Familie nicht unbedingt wohlhabend war, haben meine Eltern immer dafür gesorgt, dass meine Neugierde und mein Wissensdurst gefördert wurden. Täglich die Nachrichten zu sehen gehörte einfach dazu.
Als ich neun Jahre alt war, habe ich daher miterlebt, wie sich die Welt mit einem Schlag geändert hat. Am 11. September 2001 erschütterte ein furchtbarer Terroranschlag New York City, die USA und die gesamte Welt. Auch, wenn ich nicht genau verstanden hatte, was passiert war: die Angst, die um sich griff, die Furcht vor neuerlichen Terroranschlägen war spürbar und beklemmend. Die Zeit nach 9/11 war eine der Trostlosigkeit, der Furcht und der Intoleranz. Die Welt sah zu, wie sich die USA in zwei Kriegen erschöpften, wie sie Misshandlungen und Folter dazu nutzten, aus politischen Gefangenen Informationen zu pressen. Trotz aller Bemühungen wirkte es, als würden sich die USA nur noch mehr Gewalt und Widerstand gegenübersehen.
Zu dieser Zeit habe ich erstmals begonnen, mich wirklich für Politik zu interessieren und letztlich auch zu begeistern. Der Grund dafür war die politische Kampagne eines relativ jungen Senators aus dem US-Bundesstaat Illinois für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten. Seine Kampagne versprach Hoffnung, Veränderung und Fortschritt. Auch, wenn Barack Obama mitunter umstritten sein mag, seine Geschichte und sein Versprechen von Veränderung waren das, was mich für die Politik begeisterte. Ich wusste, wofür ich mich interessierte und womit ich mich beruflich beschäftigen wollte. Wenige Jahre später schrieb ich mich für das Studium der Politikwissenschaft an der Universität Wien ein.
I’m asking you to believe.
Barack Obama
Not in my ability to bring about change—but in yours.
Yes, we can.
Es sollte sich herausstellen, dass diese Entscheidung nicht nur für meine weitere berufliche Karriere, sondern auch für mein Privatleben die bestmögliche war. Gleich am ersten Tag des Studiums habe ich meine heutige Frau kennengelernt. Sie ist nicht nur ein unglaublich genialer, intelligenter und liebevoller Mensch, sondern hat mich immer zu Höchstleistungen angetrieben und das Beste in mir zum Vorschein gebracht.
Im Studium habe ich erstmals wirklich kritisch hinterfragt, wie unsere Welt funktioniert. Im Jahr 2011, während meines ersten Studienjahres, traf die Finanzkrise mit voller Wucht Europa. Bereits 2009 war bekanntgeworden, dass Griechenland seit Jahren eine massive Staatsverschuldung geheimgehalten hatte. Im Zuge dieses weltweiten Beinahe-Kollapses mussten wir mitansehen, wie sich jene Banker, die für die Finanzkrise zumindest mitverantwortlich waren, millionenschwere Boni auszahlen ließen. Dies mit Geld, das die öffentliche Hand bereitgestellt hatte, um das Finanzsystem zu erhalten. Gleichzeitig wurde den Griech:innen ein alles lähmendes Sparprogramm aufgezwungen. Hat mich Obamas Wahl inspiriert, hat mich die Finanzkrise politisch geprägt. Mir wurde klar, dass wir Veränderungen brauchten, wir diese aber nur gemeinsam erreichen würden.
Mir wurde auch klar, dass Veränderung auch Verantwortung erfordert. Hatte ich immer schon ein Naheverhältnis zur Sozialdemokratie, bin ich letzten Endes deswegen der SPÖ beigetreten. Eine andere Partei war für mich nie infrage gekommen. Ich bin der festen Überzeugung, dass staatliches Handeln das beste Mittel ist, um Verbesserungen für die Menschen zu erreichen. Alle Menschen sollten abgesichert sein – sowohl vor unternehmerischer Willkür als auch vor autoritären Tendenzen einer Regierung. Unser Ziel muss sein, die Interessen der Vielen vor denen der Wenigen zu wahren und Ressourcen fair zu verteilen. Die Sozialdemokratie, die sich stets für Menschenrechte eingesetzt hatte, die für die Demokratie gekämpft hatte und als einzige Partei in Österreich den Internationalismus vertrat, war für mich erste und einzige Wahl.
Diktatur bleibt Diktatur. Ausbeutung bleibt Ausbeutung. Unser Platz aber ist und bleibt auf der Seite der Freiheit und des sozialen Fortschritts, des Ringens um soziale Sicherheit und Vermenschlichung der menschlichen Gesellschaft.
Willy Brandt
Veränderung erreicht man nur dann, wenn man auch bereit dazu ist, Verantwortung zu übernehmen. Das war es, was ich tun wollte. Ich bewarb mich also für ein Studium an der Diplomatischen Akademie Wien und erhielt tatsächlich einen Platz, und ich begann anschließend eine Karriere im Bereich der internationalen Sicherheitspolitik. Das alles tue ich aber nicht nur aus der Überzeugung, dass wir die Welt zu einem besseren Ort machen können, sondern aus dem Wissen, dass alle Widerstände uns nicht daran hindern dürfen, es zu versuchen.
Es ist mein Ziel, für eine sichere Welt zu arbeiten. Für eine Welt, in der alle Menschen tatsächlich gleich an Rechten und Würde geboren werden und leben können. Für eine Zukunft, die wir gemeinsam gestalten können. Dabei gilt es, die Welt so zu sehen, wie sie ist. Nur so kann man sie verändern und so gestalten, wie sie sein sollte. Es ist meine Begeisterung für die Welt, die mich antreibt. Sie weckt in mir den Wunsch, etwas zu bewegen.
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