Genau zehn Jahre ist es her, dass der ehemalige ägyptische Präsident Husni Mubarak von seinem Amt zurückgetreten ist. Fast 30 Jahre lang hatte er Ägypten autokratisch regiert. Das Land am Nil wurde unter seiner Herrschaft nicht nur zu einem guten Verbündeten des Westens, doch seine Wirtschaft wurde von einem System von Günstlingen Mubaraks, über ein System von Seilschaften gebunden an seine Präsidentschaft, de facto kontrolliert. Am 11. Februar 2011 rächte sich das.
Dem Rücktritt Mubaraks waren wochenlange Proteste, die von den Demonstrationen gegen Tunesiens Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali inspiriert waren, vorausgegangen. Zunächst hatte sich Mubarak nicht beirren lassen – er werde nicht zurücktreten, keinesfalls vor den Präsidentschaftswahlen im September. Doch die Proteste klangen nicht ab.
Knalleffekt
Es lässt sich sagen, dass Mubaraks Präsidentschaft endete, wie sie begann: mit einem Knall. Seit 1975 war er Vizepräsident Ägyptens unter Anwar Sadat. Als Sadat 1981 von einem radikalisierten Muslimbruder erschossen worden war, übernahm Mubarak das Präsidentenamt. Seine Regierungszeit war insbesondere von einem Ausbau der Sicherheitskräfte geprägt, während er innenpolitisch, wie eingangs erwähnt, in erster Linie die wirtschaftlichen Interessen seines persönlichen Zirkels bediente.
Auf Frühling folgt Winter
Mubaraks Rücktritt war ein Paukenschlag. Nach den Protesten in Tunesien, im Zuge derer Ben Ali überraschend zurückgetreten war, war es nun mit Mubarak der zweite arabische Diktator, der von einer Protestbewegung zum Rücktritt gezwungen wurde. In Anlehnung an die Ereignisse des Jahres 1968 wurde diese Bewegung bald „Arabischer Frühling“ getauft. Nachdem dieser von Tunesien aus auf Ägypten übergegriffen hatte, schien sich diese Bewegung im Nahen Osten zu einem Flächenbrand zu entwickeln. Libyen, Jordanien, Bahrain, Kuwait, Syrien … in all diesen Staaten gingen die Menschen auf die Straße, um gegen die schlechte wirtschaftliche Situation und für politische Mitspracherechte zu demonstrieren.
Allzu bald entwickelte sich dies jedoch in eine ganz andere, wesentlich blutigere Richtung. In Libyen entwickelte sich ein regelrechter Bürgerkrieg, an dessen Ende (nach einem Eingriff der NATO) Muammar Gaddafi gestürzt worden war. Libyen erholte sich bislang nicht davon, dass seine staatliche Struktur de facto zusammengebrochen war. Bis heute kämpfen verschiedene Fraktionen um die Kontrolle in diesem Land am Mittelmeer. Ähnlich verhält es sich in Syrien. Die Proteste gegen die Regierung von Bashar al-Assad eskalierten rasch, nachdem Waffen aus der Golfregion geliefert wurden. Auch heute noch herrscht kein Friede in Syrien.
„Das ist jetzt mein Land“
All das war nicht abzusehen, als Mubarak zurücktrat. Damals war es für die Ägypterinnen und Ägypter ein Anlass zur Freude. Doch heute? Heute leiden viele unter dem repressiven Regime Abdel Fattah as-Sisis. Sisi, der den ersten gewählten Präsidenten Ägyptens, den Muslimbruder Muhammad Mursi, in einem Putsch gestürzt hatte, unterdrückt seither jeden Dissens. Gegen die Zivilgesellschaft wird extrem hart vorgegangen, im Prinzip wurde sie effektiv zum Schweigen gebracht. Sisi herrscht mit eiserner Faust – alles im Namen der Stabilität.
Denkt man an die Ereignisse von vor zehn Jahren, an diesen Moment der Hoffnung und daran, wie die Ägypter*innen ihre Würde zurückgefordert hatten, kann man kaum glauben, dass es sich bei Ägypten um dasselbe Land handelt. Ägypten ist für Europa ein wichtiger Partner, dem ist ganz objektiv gesehen so. Und oftmals wird argumentiert, dass Europa die Stabilität Ägyptens braucht – auch das ist wahr. Es steht nur zu fürchten, dass Repression und brutales Vorgehen gegen Meinungsfreiheit kein probates Mittel ist, um langfristig Stabilität zu erhalten.