Verhaftungswelle in Saudi-Arabien

Ges­tern Abend wur­den elf Mit­glie­der der sau­di­schen Königs­fa­mi­lie und ein Dut­zend ehe­ma­li­ger Minis­ter ver­haf­tet. Der Vor­wurf: Kor­rup­ti­on. Berich­tet hat dar­über der emi­ra­ti­sche TV-Sen­der al-Ara­bi­ya. Die­se Ver­haf­tungs­wel­le wur­de von einem Anti­kor­rup­ti­ons­ko­mi­tee auto­ri­siert, das erst weni­ge Stun­den davor vom sau­di­schen Kron­prin­zen, Muham­mad bin Sal­man selbst, ein­ge­rich­tet wor­den war. Eben­falls ver­haf­tet wur­de ein Sohn des ehe­ma­li­gen Königs Abdul­lah sowie die Lei­ter drei­er sau­di­scher Fernsehsender.

Obwohl die Situa­ti­on nach wie vor nicht klar ist – so gibt es bei­spiels­wei­se immer noch kei­ne kom­plet­te Lis­te an Ver­haf­te­ten – schei­nen die Kor­rup­ti­ons­vor­wür­fe vor­ge­scho­ben zu sein. Eher wahr­schein­lich ist, dass Muham­mad bin Sal­man, umgangs­sprach­lich auch „MbS“ genannt, sei­ne Macht zu kon­so­li­die­ren ver­sucht. MbS, der Sohn des gegen­wär­ti­gen Königs Sal­man, wur­de im Juni 2017 zum Kron­prin­zen ernannt und lenkt seit­her die Geschi­cke Saudi-Arabiens.

Da die sau­di­sche Königs­fa­mi­lie weit ver­zweigt ist, ist die Fra­ge der Nach­fol­ge für vie­le Mit­glie­der der Fami­lie von zen­tra­ler Bedeu­tung. In der Tat war bis­her jeder König Sau­di-Ara­bi­ens ein Sohn des Staats­grün­ders Abd al-Aziz ibn Saud, der vie­le Kin­der mit ver­schie­de­nen Ehe­frau­en hat­te. Dar­aus resul­tier­ten ver­schie­de­ne Fami­li­en­zwei­ge, die alle nicht von der Macht aus­ge­schlos­sen wer­den wol­len. In wei­te­rer Fol­ge arbei­te­te die sau­di­sche Königs­fa­mi­lie auf Kon­sens­ba­sis. Dies schränk­te aber die Amts­füh­rung aller bis­he­ri­gen sau­di­schen Köni­ge bis zu einem gewis­sen Grad ein. Für MbS scheint dies jedoch außer Fra­ge zu ste­hen – er wäre der ers­te König aus der Enkel­ge­nera­ti­on ibn Sauds.

Die­se Ver­haf­tungs­wel­le wur­de ins­be­son­de­re auf­grund von wirt­schaft­li­chen Über­le­gun­gen kri­ti­siert. Immer­hin befin­den sich meh­re­re west­li­che Geschäfts­part­ner unter den Ver­haf­te­ten, was Erschüt­te­run­gen auf ver­schie­de­nen Finanz­märk­ten aus­lö­sen mag. In der Tat wur­den bereits Ver­lus­te an sau­di­schen Bör­sen gemacht. Doch die eigent­li­che Fra­ge ist nun, wie die aus­ge­boo­te­ten Tei­le der sau­di­schen Königs­fa­mi­lie auf die­se offen­sicht­li­che Bedro­hung ihrer Macht­an­sprü­che reagie­ren wer­den. Falls es MbS schafft, mög­li­che Riva­len für sei­ne Zeit als König bereits jetzt zu eli­mi­nie­ren, könn­te der Gene­ra­tio­nen­wech­sel ver­gleichs­wei­se sanft ablau­fen. Eben­so gut mög­lich ist aber, dass die ande­ren Fami­li­en­zwei­ge gegen sei­ne Herr­schaft opponieren.