Putschversuch in der Türkei

Kampf­jets krei­sen über der Haupt­stadt Anka­ra. Es kommt zu Gefech­ten zwi­schen Ein­hei­ten des Mili­tärs und der Poli­zei. In İst­anb­ul sind die Bos­po­rus-Brü­cken gesperrt und Pan­zer auf dem Ata­türk-Flug­ha­fen vor­ge­fah­ren. Das Mili­tär hat eine Aus­gangs­sper­re ver­hängt und das Kriegs­recht aus­ge­ru­fen. In der Tür­kei fin­det zur­zeit ein Mili­tär­putsch statt – der ins­ge­samt vier­te seit dem NATO-Bei­tritt des Lan­des im Jahr 1952. Zum gegen­wär­ti­gen Zeit­punkt ist aller­dings noch völ­lig unklar, ob der Putsch erfolg­reich gewe­sen ist. Auch über die Put­schis­ten selbst ist noch wenig bekannt: han­delt es sich um eine Split­ter­grup­pe der Streit­kräf­te unter dem Ein­fluss der isla­mis­ti­schen Gülen-Bewe­gung, wie von Prä­si­dent Erdoğan behaup­tet, oder sind es kema­lis­tisch-säku­la­re Tei­le des Mili­tärs, die putschen?

Das war die Par­al­lel­or­ga­ni­sa­ti­on [die Gülen-Bewe­gung] höchst­per­sön­lich. Sie wer­den einen sehr hohen Preis für die­sen Ver­rat zahlen.

Recep Tayyip Erdoğan

Gülen selbst, der in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten lebt, bestritt die­se Vor­wür­fe und ver­ur­teil­te den Putsch­ver­such. Doch letz­ten Endes ist die Fra­ge, war­um über­haupt geputscht wer­den soll­te. Der Gedan­ke, dass sich die Armee als Bewah­re­rin der natio­na­lis­tisch-kema­lis­ti­schen Visi­on einer säku­la­ren Tür­kei ver­steht und somit gegen die AKP-Herr­schaft vor­geht, greift zu kurz. Ein isla­mis­ti­sches Pro­jekt wie das der AKP von Prä­si­dent Erdoğan mag viel­leicht die­sem Säku­la­ris­mus zuwi­der­lau­fen, doch könn­te man kaum argu­men­tie­ren, dass die AKP eine alles domi­nie­ren­de Kraft sei. Dar­über hin­aus: wenn die Armee tat­säch­lich aus die­sen Grün­den put­schen soll­te, war­um nicht nach der letz­ten Wahl oder sobald Erdoğan ein Prä­si­di­al­sys­tem ein­füh­ren möch­te? Immer­hin: es ist kein Geheim­nis, dass er durch eine Ände­rung des poli­ti­schen Sys­tems der Tür­kei mehr Kom­pe­ten­zen für das Prä­si­den­ten­amt ein­füh­ren möchte.

Ein wich­ti­ger Grund für den Zeit­punkt die­ses Put­sches mag in der tür­ki­schen Außen­po­li­tik und der sich ver­schlech­tern­den Sicher­heits­la­ge zu fin­den sein. Bis heu­te fan­den in die­sem Jahr ins­ge­samt 16 Anschlä­ge in der Tür­kei statt. Im gesam­ten Jahr 2015 waren es ledig­lich acht. Doch auch die tür­ki­sche Sy­ri­en-Poli­tik, die letz­tes Jahr zu einer Kon­fron­ta­ti­on mit Russ­land führ­te, der sich bereits in die Län­ge zie­hen­de Ein­satz gegen die kur­di­sche PKK und die syri­schen Kur­den sowie das ange­spann­te Ver­hält­nis zu den USA tru­gen alle­samt zur schwie­ri­gen stra­te­gisch-poli­ti­schen Lage der Tür­kei bei.

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