Parlamentswahl im Iran: große Mehrheit für Moderate

Es sind Sze­nen, wie man sie sich in Euro­pa eigent­lich nur wün­schen kann. Vor den Wahl­lo­ka­len ste­hen Men­schen in lan­gen Schlan­gen und war­ten auf den Ein­lass. Es sind die unter­schied­lichs­ten Men­schen: jun­ge Frau­en, mit locker sit­zen­den, bun­ten Kopf­tü­chern. Alte Män­ner, mit lan­gen Bär­ten und Tur­ban. Jun­ge Män­ner in Sport­klei­dung. Sie alle war­ten unge­dul­dig dar­auf, dass sie end­lich in das Wahl­lo­kal ein­ge­las­sen wer­den, um dann die Wahl­zet­tel mit Kugel­schrei­bern aus­zu­fül­len und in gro­ße, blaue Urnen zu wer­fen. Der Iran hat ges­tern, Frei­tag, sein Par­la­ment und den Exper­ten­rat gewählt. Für die Mode­ra­ten, die mit Hassan Rouha­ni den ira­ni­schen Prä­si­den­ten stel­len, war die Par­la­ments­wahl ein gro­ßer Erfolg: ins­ge­samt 41,7 Pro­zent der Wahl­be­rech­tig­ten stimm­ten für die Mode­ra­ten und gemä­ßigt Konservative.

Die­ses Wahl­er­geb­nis ist ein gro­ßer Erfolg für den Reform­kurs des ira­ni­schen Prä­si­den­ten. Dass die Bemü­hun­gen von Hassan Rouha­ni und des­sen Außen­mi­nis­ter Javad Zarif, eine Über­ein­kunft im Atom­streit zu erzie­len, von der­art vie­len Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern belohnt wur­den, ist ein star­kes Signal, dass die Ira­ne­rin­nen und Ira­ner die Öff­nung ihres Lan­des gut­hei­ßen. Wäh­rend die Par­la­ments­wahl aller­dings einen ein­deu­ti­gen Sieg für die mode­ra­ten Kräf­te in der Isla­mi­schen Repu­blik gebracht hat, ist der Aus­gang der Wah­len für den Exper­ten­rat lang­fris­tig gese­hen von wesent­lich grö­ße­rer Bedeutung.

Tektonische Verschiebungen im Iran

Die­ses Gre­mi­um, bestehend aus 88 Mit­glie­dern, wird für acht Jah­re gewählt und ist dafür ver­ant­wort­lich, den Obers­ten Anfüh­rer des Iran zu bestim­men oder gege­be­nen­falls abzu­be­ru­fen. Soll­te der der­zei­ti­ge Obers­te Anfüh­rer, der dem Ver­neh­men nach unter gesund­heit­li­chen Pro­ble­men lei­den­de 76-jäh­ri­ge Ali Kha­men­ei, ver­ster­ben, obliegt es dem neu gewähl­ten Exper­ten­rat, des­sen Nach­fol­ger zu bestim­men. Das bedeu­tet nichts ande­res, als dass der Aus­gang die­ser Wahl die poli­ti­sche Groß­wet­ter­la­ge in der Isla­mi­schen Repu­blik beein­flus­sen wird. Kha­men­ei ist im ira­ni­schen poli­ti­schen Sys­tem die zen­tra­le Füh­rungs­fi­gur, sei­ne Ent­schei­dun­gen und Initia­ti­ven gel­ten oft­mals als letzt­gül­tig. Ali Kha­men­ei hat es aus­ge­zeich­net ver­stan­den, wäh­rend sei­ner Amts­zeit seit 1989, die poli­ti­schen Kräf­te im Iran aus­zu­ba­lan­cie­ren, um weder Mode­ra­ten noch Kon­ser­va­ti­ven ein über­mä­ßig gro­ßes Gewicht zu geben.

In der Tat ist der Kampf um die Nach­fol­ge Kha­men­eis bereits in vol­lem Gan­ge. Als ein­fluss­rei­che Stim­me und poten­zi­el­ler Königs­ma­cher gilt ein enger Ver­trau­ter Kha­men­eis: der ehe­ma­li­ge Prä­si­dent und Vor­sit­zen­der des Schlich­tungs­rats Akbar Hash­e­mi Raf­san­ja­ni. Raf­san­ja­ni, der in den letz­ten Jah­ren ver­stärkt die Mode­ra­ten um Hassan Rouha­ni unter­stützt hat, ist ges­tern erfolg­reich in den Exper­ten­rat gewählt wor­den. Für die Mode­ra­ten ist allei­ne das bereits ein gro­ßer Erfolg, da Raf­san­ja­ni mit sei­ner poli­ti­schen Erfah­rung und sei­nem poli­ti­schen Gewicht ein äußerst ein­fluss­rei­cher Ver­bün­de­ter ist.

Doch auch das ist kei­ne Garan­tie dafür, dass ein mode­ra­te­rer Kan­di­dat als Ali Kha­men­ei der nächs­te Obers­te Anfüh­rer des Iran wird. Wäh­rend 27 Kan­di­da­ten nur von Prin­zi­pa­lis­ten und 20 Kan­di­da­ten nur von Refor­mis­ten unter­stützt wur­den, wur­den ins­ge­samt 35 von bei­den Lagern unter­stützt. Kurz gesagt: die Mehr­heits­ver­hält­nis­se im Exper­ten­rat sind nicht ein­deu­tig. Umso wich­ti­ger wird die Eini­gung auf einen mög­li­chen Nach­fol­ger Kha­men­eis außer­halb die­ses Gre­mi­ums werden.

Langsame Öffnung

In der Zwi­schen­zeit wer­den vie­le ver­schie­de­ne Pro­ble­me bestehen blei­ben. Die Eini­gung im Atom­streit und die Tat­sa­che, dass ein gemä­ßig­ter Prä­si­dent das Land regiert mag zu einer lang­sa­men und vor­sich­ti­gen Öff­nung des Lan­des nach außen bei­getra­gen haben. Mit über 80 Mil­lio­nen Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­nern ist der Iran ein durch­aus attrak­ti­ver Absatz­markt und auch die Prei­se sind mit den Sank­tio­nen gefal­len. Auf der ande­ren Sei­te ist bei­spiels­wei­se die Lage der Frau­en im Iran unver­än­dert. Le Mon­de Diplo­ma­tique ver­gli­chen in ihrer Febru­ar­aus­ga­be die Situa­ti­on der Ira­ne­rin­nen mit jener der Frau­en in Euro­pa der 1950er und 1960er Jah­re, den­noch ist ihnen die Ergrei­fung bestimm­ter Beru­fe nach wie vor ver­bo­ten, bei­spiels­wei­se poli­ti­sche Kar­rie­ren oder das Rich­ter­amt. Dar­über hin­aus übt der Iran immer noch die Todes­stra­fe aus. Für Homo­se­xua­li­tät, Ehe­bruch oder die Belei­di­gung des Pro­phe­ten kann man hin­ge­rich­tet wer­den – auch Jugendliche.

In abseh­ba­rer Zeit wird sich dar­an auch nichts ändern, auch wenn der Prä­si­dent mode­rat sein mag. Eine ehe­ma­li­ge Kol­le­gin hat dies ein­mal mit fol­gen­den Wor­ten zusam­men­ge­fasst: „Der Prä­si­dent hat jetzt einen Twit­ter-Account, aber geän­dert hat sich nichts.“

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