Ein erster Schritt in Richtung Normalisierung

Noch vor weni­gen Tagen stan­den der Iran und die Ver­ei­nig­ten Staa­ten am Rand einer Kri­se. Am Mitt­woch­abend dran­gen meh­re­re US-Patrouil­len­boo­te in ira­ni­sche Hoheits­ge­wäs­ser ein – auf­grund eines Maschi­nen­de­fekts, wie es hieß – und wur­den von Schif­fen der ira­ni­schen Revo­lu­ti­ons­gar­den abge­fan­gen. Zehn Ange­hö­ri­ge der US Navy wur­den gefan­gen­ge­nom­men, die Patrouil­len­boo­te beschlag­nahmt. Nur inten­si­ve diplo­ma­ti­sche Bemü­hun­gen von US-Außen­mi­nis­ter John Ker­ry und sei­nes ira­ni­schen Amts­kol­le­gen Javad Zarif ver­hin­der­ten eine Eska­la­ti­on der Kri­se und bewirk­ten die Frei­las­sung der Gefan­ge­nen, kaum 15 Stun­den später.

Die­se rasche und ver­gleichs­wei­se unkom­pli­zier­te Ver­stän­di­gung zwi­schen Ker­ry und Zarif ver­hin­der­te nicht nur, dass die Ereig­nis­se außer Kon­trol­le gerie­ten, sie ist ein Resul­tat der erneu­er­ten diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen zwi­schen Washing­ton und Tehe­ran – ein Resul­tat des Abkom­mens mit dem Iran zur Been­di­gung des Atom­streits, des Joint Com­pre­hen­si­ve Plan of Action (JCPOA). Die­ses Abkom­men bedeu­tet einen gro­ßen Schritt in Rich­tung der Nor­ma­li­sie­run­gen der Bezie­hun­gen zwi­schen Iran und dem Wes­ten und ist in die­ser Hin­sicht bereits jetzt ein gro­ßer Erfolg. Erst­mals seit über drei Jahr­zehn­ten nach der Ira­ni­schen Revo­lu­ti­on und der Erstür­mung der US-Bot­schaft in Tehe­ran haben Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter der USA und des Iran mit­ein­an­der verhandelt.

Ein Ergebnis, auf das aufgebaut werden kann

Das Ergeb­nis die­ser Ver­hand­lun­gen kön­nen wir heu­te sehen: Heu­te tritt der JCPOA offi­zi­ell in Kraft und er bedeu­tet einen gro­ßen Schritt in Rich­tung Nor­ma­li­sie­rung der inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen des Iran. In Bäl­de wer­den die ers­ten Wirt­schafts­sank­tio­nen gegen den Iran auf­ge­ho­ben. Im Gegen­zug beschränkt der Iran sein Atom­pro­gramm auf ein über­schau­ba­res Maß, das die Pro­duk­ti­on von Atom­waf­fen ver­hin­dern soll. Auch, wenn der JCPOA dem ira­ni­schen Atom­pro­gramm kein defi­ni­ti­ves Ende set­zen kann, ist er ein Ergeb­nis, auf das auf­ge­baut wer­den kann.

Today marks the moment that the Iran nuclear agree­ment tran­si­ti­ons from an ambi­tious set of pro­mi­ses on paper to mea­sura­ble action in pro­gress. Today, as a result of the actions taken sin­ce last July, the United Sta­tes, our fri­ends and allies in the Midd­le East, and the enti­re world are safer becau­se the thre­at of a nuclear wea­pon has been redu­ced. Today we can con­fi­dent­ly say that each of the pathways that Iran had toward enough fis­sile mate­ri­al for a nuclear wea­pon has been veri­fia­bly clo­sed down.

John Ker­ry

Die lang­fris­ti­gen Fol­gen des JCPOA sind natür­lich noch nicht abzu­schät­zen. Es spricht zwar viel dafür, dass sich die Bezie­hun­gen des Iran zur inter­na­tio­na­len Gemein­schaft nor­ma­li­sie­ren wer­den, doch ist hier­für noch viel Arbeit von­nö­ten. Zudem wird das Atom­ab­kom­men nicht von der gesam­ten inter­na­tio­na­len Gemein­schaft glei­cher­ma­ßen begrüßt. Vor allem Isra­el sieht das Abkom­men kri­tisch, eben­so Sau­di-Ara­bi­en – immer­hin unter­hält der Iran auch ein umfang­rei­ches Rake­ten­pro­gramm. Doch auch im Iran selbst wird ein Abkom­men mit den USA äußerst kri­tisch gese­hen, aber akzep­tiert. Ver­ständ­li­cher­wei­se: an­ge­sichts der insta­bi­len Lage im Nahen Osten, ins­be­son­de­re in Syri­en, dem Irak und dem Jemen, ist die Aus­sicht, mit dem Iran einen sta­bi­len Part­ner zu gewin­nen, viel zu wich­tig, um sie zu ignorieren.

Kalter Krieg im Nahen Osten

Dies umso mehr, seit das abso­lu­te König­reich Sau­di-Ara­bi­en außen­po­li­tisch zuse­hends aggres­siv agiert. Die Hin­rich­tung des schii­ti­schen Geist­li­chen Nimr an-Nimrs vor zwei Wochen oder auch der sau­di­sche Angriff auf den Jemen sind die jüngs­ten Bei­spie­le für eine radi­ka­le, kon­fron­ta­ti­ve Außen­po­li­tik Riyads. Damit wird Sau­di-Ara­bi­en aller­dings zu einem unbe­re­chen­ba­ren Risi­ko. Das Tau­wet­ter zwi­schen Washing­ton und Tehe­ran erweckt in Riyad offen­sicht­lich den Ein­druck, dass die USA nicht mehr gewillt sind, als Ver­bün­de­ter für die sau­di­sche Sicher­heit zu sor­gen – gegen den Iran. Umso har­scher greift Riyad nun Tehe­ran an: so warf der sau­di­sche Außen­mi­nis­ter Adel al-Jubair dem Iran vor, sich in ara­bi­sche Ange­le­gen­hei­ten ein­zu­mi­schen und so die kon­fes­sio­nel­len Span­nun­gen in der Regi­on zu erhö­hen. Im Gegen­zug warf Javad Zarif den Sau­dis vor, sie wür­den Hass und kon­fes­sio­nel­le Span­nun­gen schü­ren.

Die Iro­nie dabei ist, dass Sau­di-Ara­bi­en mit einer Poli­tik, die den Iran inter­na­tio­nal iso­lie­ren soll, genau das Gegen­teil errei­chen könn­te. Ohne den sau­di­schen Ein­griff im Jemen wäre der ira­ni­sche Ein­fluss auf der Ara­bi­schen Halb­in­sel ver­mut­lich nicht in die­sem Aus­maß vor­han­den. Und wäh­rend Riyad den Ein­druck erweckt, immer aggres­si­ver und immer bedin­gungs­lo­ser gegen alles vor­zu­ge­hen, was auch nur den Anschein eines ira­ni­schen Ein­flus­ses dar­stellt, kann sich der Iran als ver­trau­ens­wür­di­ger Part­ner in Stel­lung brin­gen, der durch­aus kom­pro­miss­be­reit ist.

Interessen sind zu verschieden

Den­noch ist eine grund­sätz­li­che Annä­he­rung zwi­schen USA und Iran nicht abzu­se­hen, ja noch nicht ein­mal wahr­schein­lich. Zwi­schen Tehe­ran und Washing­ton ste­hen mehr als nur diplo­ma­ti­sche Dif­fe­ren­zen, auch wenn ihre Inter­es­sen manch­mal deckungs­gleich sind, bei­spiels­wei­se im Irak. In Afgha­ni­stan unter­stützt der Iran die Tali­ban, wäh­rend die USA mit der afgha­ni­schen Regie­rung ver­bün­det sind. In Syri­en steht der Iran auf­sei­ten Bas­har al-Assads, eben­so wie Russ­land, wäh­rend die USA einen Rück­tritt Assads als Vor­aus­set­zung für eine diplo­ma­ti­sche Lösung im Syri­en-Kon­flikt sehen. Doch der womög­lich wich­tigs­te Punkt betrifft den wich­tigs­ten Ver­bün­de­ten der Ver­ei­nig­ten Staa­ten in der Regi­on: Israel.

Ira­ni­an Supre­me Lea­der Aya­tol­lah Ali Kha­men­ei said Wed­nes­day that he was con­fi­dent „the fake Zio­nist (regime) will dis­ap­pear from the land­scape of geo­gra­phy,” Iran’s Mehr News Agen­cy reported.

Herb Keinon/Joanna Paraszc­zuk (The Jeru­sa­lem Post)

Nicht nur, dass hohe Ver­tre­ter des Iran Isra­el immer wie­der das Exis­tenz­recht abspre­chen, der Iran unter­stützt auch die liba­ne­si­sche His­bol­lah-Miliz, eine Orga­ni­sa­ti­on, die von Anhän­gern Aya­tol­lah Kho­mei­nis als Wider­stands­grup­pe gegen die israe­li­sche Beset­zung des Liba­non gegrün­det wor­den war. In der Zeit nach dem israe­li­schen Abzug im Jahr 2000 griff die His­bol­lah Isra­el mehr­fach an, bis die Israe­lis schließ­lich mili­tä­risch gegen die Miliz vor­gin­gen; Iran ließ der His­bol­lah in wei­te­rer Fol­ge mili­tä­ri­sche, logis­ti­sche und finan­zi­el­le Hil­fe zukom­men. Dar­über hin­aus ste­hen die Ira­ner unter Ver­dacht, die Hamas im Gaza­strei­fen auszurüsten.

Der Iran begreift sich außer­dem als „Speer­spit­ze der Drit­ten Welt“ gegen den „US-Impe­ria­lis­mus“. Die­se anti-ame­ri­ka­ni­schen Posi­tio­nen sind gewis­ser­ma­ßen ein Teil der DNA der Isla­mi­schen Repu­blik. Zwar sind mode­ra­te­re Tei­le des Iran durch­aus kom­pro­miss­be­reit und prag­ma­tisch – was der JCPOA zeigt – aber es ist den­noch nicht abzu­se­hen, dass das Ver­hält­nis zwi­schen Iran und USA über eine prag­ma­ti­sche Arbeits­be­zie­hung hin­aus ent­wi­ckelt. Für eine Alli­anz ist der Iran außen­po­li­tisch zu unstet, zu anti-ame­ri­ka­nisch geprägt und sei­ne Inter­es­sen lau­fen denen der USA zu oft zuwi­der. Außer­dem ist es mehr als zwei­fel­haft, dass pro-israe­li­sche Kon­gress­ab­ge­ord­ne­te und die ira­ni­schen Hard­li­ner ein der­art war­mes Ver­hält­nis über­haupt zulas­sen würden.

Bild: Euro­pean Exter­nal Action Ser­vice, CC BY-NC 2.0, kei­ne Ände­run­gen vorgenommen

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