Eine europäische Lösung ist erforderlich

Man könn­te die Aus­sa­gen so man­cher öster­rei­chi­scher Spit­zen­po­li­ti­ke­rin­nen und Spit­zen­po­li­ti­ker durch­aus als ver­ba­le Abschot­tung bezeich­nen. So hat bei­spiels­wei­se Innen­mi­nis­te­rin Johan­na Mikl-Leit­ner vor lau­fen­den Kame­ras ange­kün­digt, die „Fes­tung Euro­pa“ rea­li­sie­ren zu wol­len und Inte­gra­ti­ons­mi­nis­ter Sebas­ti­an Kurz will mit­tels Zäu­nen die Gren­zen schüt­zen. Öster­reich ist eines der von der Flücht­lings­kri­se am stärks­ten betrof­fe­nen Län­der Euro­pas und doch scheint Wien nur zwei Lösungs­an­sät­ze zu ver­tre­ten: ent­we­der die Gren­zen kom­plett dicht zu machen oder die Flücht­lin­ge nach Deutsch­land wei­ter zu win­ken. Doch das eigent­li­che Pro­blem ist das Feh­len einer gesamt­eu­ro­päi­schen sowie einer inter­na­tio­na­len Lösung.

Natür­lich wäre es Öster­reich mög­lich, die Gren­zen kom­plett dicht zu machen und den Kopf in den Sand zu ste­cken – war­um sol­len sich nicht ande­re um die Flücht­lings­pro­ble­ma­tik küm­mern? Das wür­de die Pro­ble­me schlicht und ergrei­fend nicht lösen. Wenn es auch den einen oder ande­ren Kärnt­ner Lan­des­po­li­ti­ker freu­en mag, bau­lich Abstand zu Slo­we­ni­en zu schaf­fen, hät­te ein Grenz­zaun in ers­ter Linie abschre­cken­de Wir­kung und weni­ger prak­ti­schen Nut­zen. Denn ent­we­der pro­vo­ziert man damit Sze­nen wie in Ungarn oder man ver­stärkt das Geschäfts­mo­dell der Schlep­per, die Men­schen ille­gal über die Gren­ze brin­gen. Nach­hal­tig ist die Abschot­tungs­op­ti­on also nicht, ins­be­son­de­re ange­sichts der Tat­sa­che, dass sol­che Zäu­ne nichts an der Tat­sa­che ändern, dass in Syri­en ein Bür­ger­krieg statt­fin­det. Im Gegen­teil, Lö­sungen wie die­se ver­la­gern ledig­lich den Druck auf die slo­we­ni­sche Grenze.

Wel­che Hand­lungs­op­tio­nen blei­ben Öster­reich und wel­che Hand­lungs­op­tio­nen blei­ben Euro­pa? Öster­reich als rela­tiv klei­nes Bin­nen­land in Euro­pa kann selbst nicht all­zu viel tun, außer eben sei­ne Gren­zen zu schlie­ßen. Die Logik hin­ter einer sol­chen Hand­lung ist klar: es geht dar­um, zu ver­hin­dern, dass Flücht­lin­ge Öster­reich über­haupt erst betre­ten kön­nen. Das häu­fig gebrauch­te Argu­ment, es gehe dar­um, Rechts­si­cher­heit her­zu­stel­len, ist zwar schein­bar schlüs­sig, wür­de es aber von­sei­ten Öster­reichs erfor­dern, Flücht­lin­ge auch tat­säch­lich zu regis­trie­ren, was der­zeit nicht pas­siert. Das ist einer der grund­le­gen­den Feh­ler des der­zei­ti­gen euro­päi­schen Dub­lin-Asyl­sys­tems: Staa­ten, in denen ein Asyl­wer­ber zuerst um Asyl ansucht, sind für des­sen Ver­fah­ren zustän­dig. Um die­ses Ver­fah­ren und die damit ein­her­ge­hen­den Ver­wal­tungs­kos­ten zu ver­mei­den, wer­den die­se Per­so­nen gar nicht erst regis­triert, son­dern wei­ter­ge­reicht – nach Öster­reich, Deutsch­land und Schweden.

Als Flücht­lin­ge noch nicht in nen­nens­wer­ter Zahl Euro­pa erreich­ten, stan­den Grie­chen­land und Ita­li­en mit den Ankünf­ten allei­ne da und reich­ten sie wei­ter. Doch jetzt, wo Flücht­lin­ge in gro­ßer Zahl Euro­pa errei­chen, stellt die­se geleb­te Pra­xis ein Pro­blem dar. Laut Sebas­ti­an Kurz führt kein Weg dar­an vor­bei, die Gren­zen auch natio­nal zu schlie­ßen: „Ich kämp­fe dafür, dass end­lich Grenz­si­cher­heit an den EU-Außen­gren­zen her­ge­stellt wird. Wenn das nicht statt­fin­det, wer­den immer mehr Staa­ten Ein­zel­maß­nah­men ergrei­fen müs­sen. Ich hof­fe, dass wir uns das erspa­ren kön­nen. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Die eigent­li­che Lösung muss aller­dings euro­pä­isch sein: eine gerech­te Ver­tei­lung von Flücht­lin­gen auf alle EU-Staa­ten, ein soli­da­risch finan­zier­tes Asyl­sys­tem sowie umfas­sen­de Integrations‑, Sprach- und Dera­di­ka­li­sie­rungs­pro­gram­me sowie psy­cho­so­zia­le und medi­zi­ni­sche Erst­ver­sor­gung. Doch der viel­leicht wich­tigs­te Punkt ist die Been­di­gung der Krie­ge in Syri­en und Afgha­ni­stan sowie die Her­stel­lung eines sta­bi­len Wirt­schafts­wachs­tums vor Ort. Das kann die Euro­päi­sche Uni­on allei­ne nicht leis­ten, hier­für braucht es ein Maxi­mum an inter­na­tio­na­ler Koope­ra­ti­on. Da dies der­zeit unwahr­schein­lich ist, braucht Euro­pa Wege, um mit die­ser neu­en Situa­ti­on umzu­ge­hen – das kann aller­dings nicht allei­ne Grenz­schutz sein.

Bei­trags­bild: Orlok/Shutterstock.com

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